Klonkriege: Angriff der Xtina Gaguilera

Verfasst am Freitag, 30. Apr 2010



Es ist also dann mal endlich da – das Video zu Christina Aguileras neuer Single “Not Myself Tonight”. Der Song wurde bereits vor genau einem Monat in voller Länger auf der Homepage der Sängerin vorgestellt. Beim ersten Hören dachte man noch an eine Mischung aus Britneys “Womanizer”, Nelly Furtados “Maneater” und irgendwas anderem, was einem nicht direkt einfällt und man es selbst dann nicht aussprechen würde, wenn es einem irgendwann einfallen würde.

Das Lied an sich ist ohne Frage einwandfrei produziert. Ich denke, es dürfte niemanden überraschen, wenn es sich in den Charts ganz gut platziert. Das Gegenteil wäre zwar auch keine Überraschung, aber das hat man davon, wenn man originell sein will und dabei (hoffentlich) unbewusst jede erfolgreiche Sängerin der letzten zehn Jahre gleichzeitig als Inspirationsquelle präsent hat.

Es ist eingängig, Christinas Stimme ist (wie immer) außerordentlich außerordentlich (kein Tippfehler), aber allein schon bei dem Text fängt man an zu zweifeln. Ist Christina in Wirklichkeit eine dieser Sängerinnen, die die Sprache, in der sie singt, nicht wirklich bis überhaupt nicht versteht? Ich mein, ja, es reimt sich. Hübsch. Aber – WTF?

“I’m out of character / I’m in rare form / and If you really knew me / you’d know its not the norm”: Das könnte auch die Beschreibung eines grippalen Infekts sein. Den restlichen Text werde ich aus Rücksicht auf alle, die gerade eine mittelschwere Erkältung haben, nicht weiter interpretieren. Eigentlich ist das Lied an sich nach ca. 2 Minuten und 25 Sekunden zu Ende. Danach kommt noch ein bisschen pseudoerotisches Gestöhne und Gekreische als eine Art undwürdiges Outro. Kurzum: Die Lyrics sind eine Zusammenfassung einer popbedingten psychotischen Tanzstörung auf nicht weiter erwähnten Drogen oder wahlweise die Beschreibung eines plötzlichen Mutanfalls infolge eines feschen Kopfgartendesigns.

Das Video an sich ist auch das, was die meisten an dem Video kritisieren. (Das sollte jetzt keine Überraschung sein…) In jeglichen Foren und Blogs fallen die gleichen Schlagworte: Madonna, Lady Gaga, Gwen Stefani, bla bla bla… Ich hab keine Lust hier zu schreiben, was schon Tausende anderer Leute erzhält haben. Einige haben sogar versucht das nachzuweisen – was leider völlig legitim scheint. Jeder, der die letzten paar Jahre wissentlich oder unwissentlich zu viel Mainstream mitgenommen hat, weiß selbst, was woran erinnert. Schade ist nur, dass sich beim Anschauen des Videos tatsächlich ein Déjà-vu nach dem anderen einstellt. Andererseits sind all diese Vergleiche auch relativ platt und oberflächlich. “Die Sonnenbrille hatte schon XYZ in xyz”, “die Klamotten sehen aus wie die von ZYX in zyx” und “boah, solche Schuhe gab es schon im Barock”… Ja, und jetzt?

Es ist halt die Frage, wie man das Gesamtpaket sieht. Sind es Zitate, ist es einfach nur schlecht nachgemacht oder denkt die Gute, das wäre superneu? Das wird jeder für sich selbst entscheiden müssen. Die Enttäuschung, die aus einigen spricht, wäre vielleicht weniger groß, hätte Frau Aguilera ihre neuen Werke nicht angepriesen, als würde ein neues Zeitalter der Geschichtsschreibung anbrechen:

“I was able to explore and create a fresh, sexy feel using both electronic and organic elements with subject matter ranging from playful to introspective. I am so excited for my fans to hear the new sound. It is something I don’t think anyone will expect.” Quelle: christinaaguilera.com

Es ist natürlich klar, dass jeder Künstler das über jedes Album, jeden Film, jedes Bild, was auch immer sagt, wenn das jeweilige Kunstwerk kurz vor der Veröffentlichung steht. Wenn man die Ewartungen allerdings zu hoch schraubt, ist  es aber nun einmal so, dass man sich damit manchmal selbst ans Bein pinkelt. Zumindest, wenn man sich die Reaktionen mancher Menschen anschaut. Aber wie dem auch sei, ich für meinen Teil habe beschlossen, das Ganze als eine hochwertige Produktion zu betrachten. Die Mühe und Arbeit (zumindest) hinter dem Musikvideo ist deutlich zu sehen. Stimmlich kann niemand etwas Sinnvolles gegen Madame Agu. sagen und wer es dennoch macht, hat entweder komplett keine Ahnung oder ist ein Fanboy einer beliebigen anderen Diva und fühlt sich vertretungsweise in deren Ehre, Stolz oder Ideenreichtum gekränkt.

Ob dieses Werk nun eine Zitatsammlung, eine Collage oder ein Haufen nicht zu Ende visualisierter Diebstähle darstellt, ist mir Wurst. Qualitativ gesehen ist das Video sicherlich eins der besseren in der Sphäre, in der sich Sängerinnen dieses Kalibers bewegen, wenn es auch insgesamt mehr schockierend gewesen wäre, würde man nicht schon wieder Xtinas Brustbereich vorgeführt bekommen. Das ist nicht mehr sexy, das ist mittlerweile irgendwie normal.

Hm, mittlerweile frage ich mich, warum ich überhaupt über diesen amerikanisch-sterilen SM-Traum geschrieben habe, aber nun bin ich fertig und hab keine Lust auf das Feeling, das sich einstellt, wenn man das Gefühl hat, man hätte gerade etwas völlig Sinnfreies gemacht. (Oder das, wenn man gerade einen völlig bescheuerten Satz geschrieben hat… *hust*) Insofern verhält sich mein Beitrag zu diesem Popdiskurs wahrscheinlich genauso wie das besprochene Video zum Rest der Popwelt. Ach, egal. Es ist spät. Ich gehe jetzt tanzen. Ausrasten. Saufen. Alles, was zwei Beine hat, abknutschen. Vielleicht ziehe ich mir noch was verdorben Aussehendes an. I’m not myself tonight. I’m so crazy right now… Hmpf…

Bis dann, denn.

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